Die alten Gewissheiten gelten nicht mehr. Das Klima ändert sich sehr viel schneller und die Auswirkungen sind sehr viel heftiger, als es noch vor wenigen Jahren überhaupt für möglich gehalten wurde. Das als Grenze zum Chaos angesehene 2-Grad-Ziel rückt in immer weitere Ferne; gleichzeitig wird immer klarer, dass schon eine der Erwärmung auf nur 2 Grad katastrophale Folgen nach sich ziehen wird. Selbst Klimawissenschaftler*innen haben das Ausmaß und die Geschwindigkeit unterschätzt, mit der die Bedrohung auf uns zukommt.
Der Kampf gegen die Klimakrise ist die große Aufgabe unserer Zeit, doch noch immer verweigern sich weite Teile von Politik und Gesellschaft diesem Kampf.
Um das zu ändern braucht es neue Protestformen, die Aufrütteln und ein weiteres Ignorieren der bevorstehenden Katastrophe unmöglich machen. Ziviler Ungehorsam ist ein solches Mittel, und so hat sich die GRÜNE JUGEND dem Aktionsbündnis Ende Gelände angeschlossen, welches seit 2015 regelmäßig friedlich, aber bestimmt mit koordinierten Massenaktionen die Braunkohleverbrennung stört und blockiert.
Ende Gelände ist ein inklusiver und beständig wachsender Zusammenschluss für Menschen unterschiedlicher Kontexte und Hintergründe, die ein gemeinsames Ziel antreibt: Effektiver Klimaschutz durch direkte Aktion. Dafür gehen wir bewusst bis an die Grenzen der Legalität – und darüber hinaus. Der Bruch geltender Gesetze ist für uns dabei kein Selbstzweck, sondern ein notwendiges Mittel zum Erreichen unserer Ziele. Die Zerstörung unseres Planeten und unserer Zukunft ist Unrecht, Widerstand dagegen ist daher nicht nur legitim, sondern zwingend notwendig.
Solche Zusammenschlüsse entwickeln dabei schnell gefährliche Eigendynamiken und enden als marodierende Mackertruppe, die sich an der eigenen Stärke berauscht. Auch deshalb haben wir uns einen verbindlichen Rahmen gegeben, der ein rücksichtsvolles Miteinander garantiert und an den sich alle Teile von Ende Gelände gebunden fühlen. Unser Aktionskonsens in Auszügen: „Als Ende Gelände sagen wir, was wir tun werden und werden tun, was wir sagen. Wir werden uns ruhig und besonnen verhalten, von uns wird keine Eskalation ausgehen, wir gefährden keine Menschen. Wir werden mit unseren Körpern blockieren und besetzen. Wir werden dabei keine Infrastruktur zerstören oder beschädigen. Unsere Aktion wird ein Bild der Vielfalt, Kreativität und Offenheit vermitteln.“
Soweit die Theorie, aber wie läuft so was dann tatsächlich ab? Ich war 2016 zum ersten Mal dabei und sofort überwältigt von der positiven Kraft, die von dieser Bewegung ausgeht. Gemeinsam haben wir in der Lausitz tagelang die riesigen Bagger besetzt, auf den Gleisen der Kohlebahnen geschlafen und die Verladestation zum örtlichen Kraftwerk in Beschlag genommen. Hier und auch in diesem Sommer bei den Aktionen im Rheinland habe ich gelernt, was Solidarität bedeutet und was für eine starke Waffe sie ist. Nie hätte ich gedacht, wie unaufhaltsam diese Mischung aus bedingungsloser Hilfsbereitschaft, Kreativität und unzerstörbar guter Laune macht.
Wenn nun Anfang November Staatsoberhäupter und Minister*innen zur Weltklimakonferenz in Bonn zusammenkommen, werden auch wir dort sein und den Finger in die Wunde legen. Denn während sich Merkel und Co. als Vorreiter*innen des Klimaschutzes feiern lassen, befindet sich in Wahrheit keine 50 Kilometer vom Austragungsort entfernt die größte CO2-Quelle Europas: Das Rheinische Braunkohlerevier. Gigantische Bagger verwandeln hier Wiesen, Wälder und ganze Dörfer in tote Mondlandschaften; freigesetzte Schwermetalle, Feinstaub, radioaktive Strahlung, giftige Gase und weitere Faktoren führen zu einer erheblichen Belastung der Umwelt und reduzieren die Lebenserwartung einer ganzen Region. Ein Unrecht, das wir nicht länger hinnehmen.
Und das müssen wir auch nicht: Wir sind gut organisiert, solidarisch, wir sind viele – und wir wissen, was zu tun ist. Zu Tausenden stellen wir uns den Baggern in den Weg. Wir blockieren Gruben, Kohlebahnen und Kraftwerksabläufe mit unseren Körpern und senden so ein unüberhörbares Signal an alle, die weiter ungehindert unser Klima verheizen wollen: Bis hierher und nicht weiter. Jetzt ist Ende Gelände.
Bild: 350.org/Tim Wagner